Wie ungemütlich

Publiziert am: 8. April 2022 von Jenny Sterchi

Dürüm

Noch nicht ganz aus der Pandemie entlassen stolpert die Menschheit ins nächste Ungemach. Ein Krieg, mitten in Europa. Und wir schenken uns nochmal nach und versuchen zu verstehen, was dort, zwölf Autostunden ostwärts von hier, los ist. Und kurz sind wir besorgt um die Menschen, die im flackernden Schein der Raketen ihre Ruhe finden sollen. Dann wird es kalt an den Füssen und wir drehen die Heizung ein wenig höher. Wer weiss wie lange wir noch heizen können, wenn erst das Gas ausbleibt. Nicht auszudenken. Das sind doch echte Sorgen.

Im Fernsehen nichts als Nachrichten und Newsticker und besorgte Korrespondenten aus dem Kriegsgebiet. Die können einem echt den Abend verderben. Ein kleiner Hunger überkommt uns. Schnell beim Türken einen Dürüm holen. Gut, dass der rund um die Uhr offen hat. Auto oder zu Fuss? Wenn wir laufen, ist er am Ende kalt, der Dürüm, sobald wir daheim sind. Bei der Gelegenheit können wir auch gleich tanken. Verflucht, die spinnen doch mit diesen Spritpreisen! Die Nachbarn rufen an und fragen, ob wir Lust auf einen Spieleabend haben. Ein Spieleabend? Während des Krieges in Europa? Also nein, unpassender geht’s ja wohl nicht. Die haben keine Spur von Mitgefühl. Das macht man doch nicht. Und am Ende würde man den ganzen Abend über den Krieg, den niemand hat kommen sehen, sprechen. Das ist so ungemütlich. Und wahrscheinlich ist man sich dann noch nicht mal einig. Wir streiten uns doch nicht mit denen rum, die akzeptieren ja selten eine andere Meinung.

Eigentlich ist es die nackte Angst, die uns umtreibt. Aber der Dürüm war wirklich gut. Vielleicht ein bisschen wenig Fleisch, aber sonst gut. Wenn wir doch nur irgendetwas tun könnten. Flüchtlinge würden wir auf jeden Fall aufnehmen. Jedenfalls solche aus dem Kriegsgebiet. Einen oder zwei. Wir haben doch Platz. Wäre zwar jetzt wirklich ungünstig, weil ja die zwei Wochen Griechenland gebucht sind nächsten Monat. Jetzt, da wir endlich wieder reisen dürfen. Und allein im Haus können wir die Flüchtlinge ja schlecht lassen. Die kennen sich doch gar nicht aus. Aber dann, wenn wir zurück sind, können wir das auf jeden Fall machen.