Bestimmung gesucht

Publiziert am: 17. März 2021 von Jenny Sterchi

Bestimmung gesucht

«Ich möcht so gern ein Buch schreiben.»

Mit diesem Wunsch bin ich offensichtlich nicht allein auf der Welt. Wie man unschwer an der schier unüberschaubaren Büchermenge, die der Handel für uns bereithält, erkennen kann. Warum muss es denn jetzt ausgerechnet ein Buch sein?

Weil ich zu allem und zu jedem was zu sagen habe, das aber nicht in jedem Fall gefragt ist. So. Also mit einem Buch müssten meine Mitmenschen nicht ständig meine Kommentare anhören. Und die, die’s doch interessiert, die können ja dann das Buch lesen.

So aufgeschrieben, wirkt das Ganze sehr egoistisch. Aber ich kann’s nicht ändern.

Nachdem die Frage nach der Notwendigkeit eines von mir verfassten Buches kurz, präzis und für mich absolut ausreichend beantwortet ist, stellt sich schon die nächste. Was für ein Buch am besten? Vielleicht endlich mal ein Kochbuch? In Anbetracht der ausserordentlich grossen Menge an Büchern mit mehr oder weniger brauchbaren Kochanleitungen, die im letzten Jahrzehnt buchstäblich aus den Designerküchen direkt auf den Markt geschmissen wurden, werde ich diese Idee getrost im Unterbewusstsein verschwinden lassen. Diese Argumentationsrichtung gefällt mir richtig gut. Könnte ich doch noch ausbauen mit dem Hinweis, dass ich mit einem Kochbuch thematisch dermassen gefesselt wäre, ich könnte mich ja gar nicht allumfassend austoben. Und erschwerend kommt noch hinzu, dass ich vermutlich nicht in der Lage bin, die Herstellung einer wohlschmeckenden Mahlzeit chronologisch nieder zu schreiben. Schriebe ich meine eigene Vorgehensweise in der Lebensmittelverarbeitung auf, der geschätzte Lesende läge vom vielen unkoordinierten Hinundherlaufen völlig entkräftet zwischen benutzten Küchengeräten und einer Vielzahl mehr oder weniger ausgesuchter Zutaten. Das kann doch keiner wollen.

Dann doch lieber ein Kinderbuch. Ich fürchte allerdings, dass es mir an Kompetenz mangelt, derart anspruchsvolle Literatur zu produzieren. Dazu kommt der Zweifel an verfügbarer Fantasie. Zu viel Verstand, zu wenig Freigeist. Sehr subjektiv, aber ehrlich betrachtet, finde ich heute nur sehr schwer ein wirklich brauchbares Kinderbuch. Zumeist erschlagen mich in vielen dieser Exemplare viel zu grelle und durch Abstraktheit beinahe unheimliche Illustrationen. Als Autor könnte ich ja diesen Mangel auf die Unfähigkeit des Illustrators abwälzen. Allerdings empfinde ich auch den Inhalt und die Sprachform vieler Kinderbücher als nicht viel besser gelungen. Erwächst daraus meine Erkenntnis, dass es mir und ganz vielen anderen an Kompetenz zur Erschaffung eines brauchbaren Stückes Kinderliteratur fehlt. Beende ich also das Gemecker und hoffe, dass mir auch zukünftig hin und wieder gute Kinderbücher begegnen.

Jetzt hab ich’s. Ein Naturführer. Ein Tier- und Pflanzenbuch stände noch zur Auswahl.. Nein, kein herkömmliches Bestimmungsbuch für selten gewordene Kreaturen unserer Flora und Fauna. Es ginge darin eher um so nette kleine Eigenheiten unserer geliebten Haustiere. Dass dieses Konzept durchaus Erfolg verspricht, haben Bücher über das Zusammenleben mit Hunden, Katzen und Pferden bewiesen. Ich wäre dabei inhaltlich eher beim Federvieh. Auch wenn der Erfahrungsschatz weit reicht, würde sich das Thema jedoch nach drei Sätzen erschöpfen. Ohne dass ich den Vertretern dieser Gattung zu nahe treten will.

Ich stelle mit einiger Enttäuschung fest, dass ich unmöglich in der Lage bin, ein Buch zu verfassen, das auch nur in Ansätzen meinen Erwartungen entsprechen könnte. Und warum tun es die anderen?

Die vielen vermeintlichen Autoren folgen ihrer scheinbaren Bestimmung und fabrizieren Buch um Buch. Und...ganz verrückt...ich erwerbe das ein oder andere davon.