Glücksschmerz

Publiziert am: 12. August 2024 von Jenny Sterchi

Social Media hält eine Geschichte bereit: Ein siebenjähriger Kolumbianer hat noch nie Geburtstag gefeiert, solange er auf der Welt ist. Seine Schulklasse überrascht ihn an seinem achten Geburtstag mit einer Party im Schulzimmer. Sie singen für ihn, tanzen vor Freude, es gibt Luftballons und einen Tisch voller Geschenke. Ein Kuchen steht auf der Geburtstagstafel und es gibt Sirup zum Anstossen. Das Geburtstagskind steht im Türrahmen und bewegt sich keinen Millimeter. Er staunt und dann merkt er so langsam, dass es alles für ihn ist. Nur für ihn. Weil er heute Geburtstag hat und acht Jahre alt wird. Und dieses Gefühl, vielleicht ist es das Glück, kommt so wuchtig und ungebändigt. Er steht an der gleichen Stelle. Jeder, der Glück schon einmal so pur und mächtig gespürt hat, kann erahnen, wie es dem Jungen geht. Er ist getroffen. Vom Glück getroffen. Er hält seine Hände vor die Augen und weint. Doch niemand im Raum hört auf, zu feiern. Sie feiern ihn und seinen Geburtstag. Vorbehaltlos. Das Glück bleibt, lässt sich nicht vertreiben. Und bricht über den Jungen herein, Welle um Welle, immer weiter und immer wieder. Der Junge weint. Vielleicht vor Glück. Sagt man doch so. Aber vielleicht weint er auch, weil dieses Glück unangemeldet kommt. Weil es an ihm hängt, sich festkrallt und einfach nicht loslässt. Tut Glück dann vielleicht sogar ein bisschen weh?